Den Brotstein, ein steinernes Denkmal zur Erinnerung an die Hungersnot von 1539, findet man auf der Nordwestseite des Ameisenbergs. Der kleine, in den Boden eingelassene Stein mit der Jahreszahl 1537 liegt an der alten Handelsstraße Leipaer Straße an einer Stelle, wo seit jeher das Wasser des Hungerbrunnens zutage tritt. Die Stelle kommt in mehreren Varianten einer hiesigen Legende vor.
Im Jahr 1539 gab in der Lausitz es eine große Hungersnot. In Zittau lebte damals eine arme, aber gläubige und gottesfürchtige Frau mit ihren zwei Kindern. Sie litten großen Hunger und wussten nicht mehr, wie sie ihn stillen sollten. Am 13. Juni des Jahres zog die Mutter die Kinder feierlich an und sie gingen alle drei zum Hungerbrunnen hinaus, um hier zu beten und Gott um Brot zu bitten. Beim Brunnen traf die Frau einen Mann, der sie nach der Ursache ihrer Trauer fragte. Die Frau schüttete ihm ihr Herz aus. Der Mann erkannte ihren unerschütterlichen Gottesglauben und sagte zu ihr: „Nun denn, da du so sehr an Gott glaubtest, gehe nach Hause und du wirst so viel Mehl finden, dass ihr alle diese Hungersnot überdauert.“ Zu Hause fand die Frau alles so vor, wie es der Mann vorausgesagt hatte. Sie dankte Gott inniglich, dass er ihre Gebete erhört hatte. Seit dem Tag nannten die Menschen die Quelle zur Erinnerung an dieses Geschehnis Hungerbrunnen. Mit der Zeit kam auch ein Gedenkstein hinzu. Auch wenn die Aufschrift nicht mehr lesbar ist, ist bis heute die Gestalt eines von Rosen umgebenen betenden Kindes zu erkennen.
In der Region Zittau gibt es nicht viele Erinnerungsbelege für den Volksglauben. Steinkreuze und andere Kleindenkmale volkstümlicher Herkunft tauchen seit der Reformation praktisch nicht mehr auf, da die reformierte Kirche in diesen Elementen eine überkommene vorchristliche geistliche Tradition sah, die der zeitgenössischen Ansicht nach vergessenswert war. Hier blieb jedoch ausnahmsweise alles erhalten, nur kam mit Luther ein neues Element zu der Geschichte hinzu, der sich angeblich zu dem Vorfall äußerte und die Gläubigkeit der Familie lobend kommentierte. Direkt neben dem Stein befindet sich offenbar aus diesem Grund die Lutherlinde. Der Brotstein ist eine positive Ausnahme der überdauernden Volksreligiosität in der Zeit der Reformation und auf jeden Fall einen Besuch wert.